Page 10 - Leseprobe Buch Bevaterung
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10 Einleitung
weise an den Vater oder ersatzweise an eine männliche Bezugs-
person abzugeben.
Ich wünsche dir, dass du deinen eigenen Weg zu einem männ-
lichen Stil der Bevaterung deiner Kinder findest.
Die Ent-vaterung unserer Gesellschaft
Die Kernfamilie bestand früher ganz selbstverständlich aus Mutter,
Vater und Kind oder Kindern. Mutter und Vater waren bestimmte
Rollen und Aufgaben zugewiesen, die gesellschaftlich recht ein-
heitlich festgelegt waren. In dieser Zeit hatte der Vater seinen fes-
ten Platz in der Familie, die von Bedeutung war. Er war zwar meis-
tens außer Haus, weil er traditionell alleiniger Ernährer war und
mehr als 38 Stunden in der Woche arbeitete. Doch er genoss den
Respekt der Partnerin und seiner Kinder. Sein Wort hatte Autorität
und Gewicht, denn er hatte Macht und Einfluss – auch in der weni-
gen Zeit, in der er in der Familie anwesend war. Die Mädchen lern-
ten von der Mutter klassisch-weibliche Fähigkeiten im Haushalt,
die Jungen vom Vater reparieren, basteln und bauen.
Speziell in Deutschland erleben wir seit etwa hundert Jahren
eine Vaterlosigkeit in den Familien: Die Väter verschwanden und
kamen im Ersten und Zweiten Weltkrieg großteils ums Leben. Sie
hinterließen Familien mit Kindern, die ohne Vater aufwuchsen.
Allein im Zweiten Weltkrieg kamen etwa 5 Millionen deutsche
Männer ums Leben. Darüber hinaus befanden sich Millionen
deutscher Soldaten in Kriegsgefangenschaft. Diejenigen, die über-
lebten und zurückkehrten, waren häufig so schwer traumatisiert,
dass sie in ihren Familien über Jahre hinweg Fremde blieben und
eher eine Belastung waren. Für ein Viertel der Kinder der Kriegs-
und Nachkriegszeit in Deutschland bedeutete dies eine Kindheit
ohne Vater, ungezählte andere hatten eine gestörte Beziehung zu
einem kriegstraumatisierten Vater. Insgesamt wuchsen mehr als
die Hälfte der Kinder in Deutschland von 1939 bis 1945 durch Ver-
lust des Vaters oder langjährige Abwesenheit vaterlos auf. Das
prägte nachhaltig die gesellschaftliche Entwicklung in Deutsch-
land hin zu einer vaterlosen Gesellschaft.
In den folgenden Jahrzehnten änderten sich die Gründe für
Vaterlosigkeit. Fehlte der Vater, weil er früh verstarb, so vermissten
ihn seine Kinder jetzt aufgrund von Scheidung oder Trennung.